Hermann Paul

Hermann Paul wurde als Sohn eines Maurermeisters und Kossethen (= Materialwarenhändler) im heute zu Magdeburg eingemeindeten Dörfchen Salbke geboren. Nach dem Besuch der Dorfschule wechselte er 1859 an das Pädagogium des Kloster Unser Lieben Frauen nach Magdeburg. Dort legte er 1866 das Abitur ab. Anfänglich mathematisch interessiert, schrieb er sich zum Wintersemester 1866 an der Universität Berlin in Philologie bei Heymann Steinthal ein. Im Sommersemester 1867 wechselte er nach Leipzig, wo er 1870 bei Friedrich Zarncke mit der Dissertation „Über die ursprüngliche Anordnung von Freidanks Bescheidenheit“ promovierte. Im Oktober 1872 habilitierte er sich anschließend mit der Schrift „Zur Kritik und Erklärung von Gottfrieds Tristan“. 1874 erhielt er einen Ruf an die Universität Freiburg im Breisgau als außerordentlicher Professor für deutsche Sprache und Literatur. Im März 1877 wurde er zum ordentlichen Professor ernannt. 1888 lehnte er einen Ruf nach Gießen ab. 1892 wurde er zum auswärtigen Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften berufen, im Jahr darauf wurde er ordentliches Mitglied der Gelehrtengesellschaften. 1893 nahm er den Ruf einer ordentlichen Professur für deutsche Philologie an die Universität München als Nachfolger von Matthias Lexer an, wo er 1909 zum Rektor der Universität avancierte. 1905 heiratete Paul mit 59 Jahren. Seit 1864 litt er an einer Augenerkrankung, die später zur fast völligen Erblindung führte, so dass er ab 1916 von der Verpflichtung entbunden wurde, Vorlesungen zu halten, und bei der weiteren Arbeit auf Helfer angewiesen war. Als einer der Gründer und Exponenten der „junggrammatischen“ Schule wurde Paul eine der bedeutendsten Forscherpersönlichkeiten in der Geschichte der deutschen Sprachwissenschaft. Ihm als dem Systematiker der junggrammatischen Schule verdanken wir viele wichtige Anstöße und Einsichten insbesondere zur Semantik, Lexikographie und Sprachhistoriographie. Bereits 1873, ein Jahr nach seiner Habilitation, gab er zusammen mit Wilhelm Braune das erste Heft seiner bis heute unter der Sigel PBB (Paul und Braunes Beiträge) geführten Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur heraus, im damals noch in Halle/Saale ansässigen Max Niemeyer Verlag. Von Haus aus Mediävist edierte er mittelhochdeutsche Texte, unter anderem Werke Hartmanns von Aue und die Gedichte Walthers von der Vogelweide. 1881 verfasste er die vielbenutzte Mittelhochdeutsche Grammatik und begann mit Herausgabe mittelhochdeutscher Texte in der Altdeutschen Textbibliothek, als deren Begründer er gilt. In den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts wandte sich Paul verstärkt der Gegenwartssprache zu und führte die Sprachgeschichtsschreibung als Lexikograph und Theoretiker des Sprachwandels an die Sprache seiner Zeit heran. Er entwirft eine systematische Bedeutungslehre der deutschen Sprache durch seine beiden Haupwerke Prinzipien der Sprachgeschichte und die lexikographische Arbeit am Deutschen Wörterbuch und gestaltet die Entwicklung der Sprachwissenschaft seiner Zeit entscheidend mit. Durch die Koppelung von Sprach- und Geschichtswissenschaft macht er sie zu einem nützlichen Instrument der Kulturforschung. Seine Sprachwissenschaft hat eine starke empirische Komponente. Auch als Hochschullehrer hat Hermann Paul Bedeutendes geleistet. Als Rektor der Münchener Universität setzt er sich dafür ein, den Anteil von Seminaren und Übungen – ähnlich wie in der Medizin und den Naturwissenschaften – auch in den geisteswissenschaftlichen Studiengängen zu erhöhen, um die Selbsttätigkeit der Studierenden zu fördern. Die Prinzipien der Sprachgeschichte sind Hermann Pauls Hauptwerk. Sie dienten Generationen von Linguisten als kanonisches Buch der Sprachwissenschaft. Sie sind, ebenso wie mehrere andere Bücher Pauls, ein Standardwerk insbesondere der germanistischen Sprachwissenschaft geworden und tragen Handbuchcharakter. Sie erleben immer neue Auflagen und Neubearbeitungen, sind in viele Sprachen übersetzt und hochgeachtet.

(Quelle: Wikipedia)